Monday, 5 August 2013

Einer von hier? Ganz nah dran.

Ich wohne seit Mai 2010 in Lichtenberg. Da ich Engländer bin, darf ich bei der Bundestagswahl nicht wählen. Ich werde aber den Wahlplakaten trotzdem ausgesetzt. Seit Sonntag hängt das Plakat vom Bundestagskandidaten Martin Pätzold (CDU) mehrfach vor dem Bahnhof in Lichtenberg. Der Slogan lautet: „Einer von hier. Ganz nah dran.“

Ein Tweet von Herrn Danny Freymark (CDU), Mitglied des Abgeordnetenhauses von Berlin, erklärt den Sinn des Slogans: „Er ist hier aufgewachsen, es wird verdeutlicht, dass er regional verwurzelt ist.“

Somit möchte sich also Dr. Pätzold von seiner Konkurrenz absetzen. Nur: Gesine Plötzsch (Linke) ist 1961 in Berlin-Lichtenberg geboren. Ebenfalls ist Erik Gührs (SPD) in Berlin geboren und (laut einem zum sofortigen Löschen vorgeschlagenen Wikipedia-Artikel) „im Bezirk Hohenschönhausen aufgewachsen“.

Pätzold, 1984 in Moskau geboren, „wohnt seit dem dritten Lebensjahr in Hohenschönhausen“ so Freymark. Auf Nachfrage, wie er dann, wie auf seiner Webseite behauptet wird, die deutsche Botschaftsschule in Moskau besucht haben könne, wird die Aussage revidiert: „also war er mal da und mal da“.

Ich habe kein Problem mit Menschen, die im Ausland geboren sind oder sogar im Ausland aufgewachsen sind. Beides bin ich auch. Es ist auch völlig normal, dass Menschen ihre Kindheit in mehreren Ländern verbringen. Es lässt sich aber schwer glaubhaft machen, dass Dr. Pätzolds „einer von hier“-Sein in irgendeiner Art und Weise verstärkter ist als das der anderen Kandidaten.


Also warum betont er diese halbe Wahrheit? Wenn es etwas Gutes wäre, „einer von hier“ zu sein, wäre es logischerweise weniger gut, einer zu sein, der nicht von hier ist. Ein Ausländer zum Beispiel. Kann es also sein, dass Pätzold & Co. eine bestimmte Gruppe unter den Lichtenberger Wählern ansprechen möchte? Eine, die 2011 schaffte, zwei Vertreter der NPD zum Bezirksverordneten zu wählen?


Ich kann es leider nicht ausschließen.


Deshalb fühle ich mich von dem Plakat etwas abgestoßen. Für Freymark sind diese Gefühle „völlig unverständlich“, aber ich würde hoffen, dass es deutsche Politiker gibt, die in der Lage sind, die fremdenfeindliche Wirkung solcher Aussagen nachzuvollziehen. Oder wenn sie doch beabsichtigt sind, dies wengistens einzugestehen.


Und eine Nebensache zum Schluss
Ganz nebenbei entdeckte ich heute ein Tweet von Freymark: „Peinliche #Piraten, hängen einen Tag zu früh die Plakate in Lichtenberg. War die Kalenderfunktion defekt oder sind die Regeln egal?!”

Einen Tag zu früh. Peinlich. Am 17.06. (vor gut 40 Tagen und 40 Nächten) nahm ich folgendes Bild auf:

Auch wenn der Slogan ein wenig besser ist, bleibt die Ähnlichkeit mit dem aktuellen CDU-Wahlplakat verblüffend:

Freymark klärt aber auf: „Dafür brauch[t] man im Übrigen keine Genehmigung, daher hat das eine mit dem anderen nichts zu tun.“

Alles klar. Die Anzeige auf der Werbeuhr verstößt doch gegen kein Gesetz. Dann liege ich wohl mit meiner Kritik falsch. Aber ganz nah dran.

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