English translation follows the German text.
Türchen 20.
Es ist manchmal nervig, dass jede Meinung nicht für sich stehen kann, sondern in unmittelbarer Verbindung mit der Art ihrer Vermittlung stehen muss. Ich meine damit, dass es schwer ist, einen Standpunkt rein objektiv zu betrachten, weil man ihn entweder gut oder schlecht argumentiert zu hören bekommt. Das soll kein Problem sein. Denn jeder weiß, dass es überhaupt nicht vorzügliches Benehmen ist, mitten im Streit die Grammatik des Streitgegners zu kritisieren. Im Gegenteil - dies weist eher auf deine Unfähigkeit hin, das Argument des Gegners zu kritisieren und stellt dich somit ins schlechte Licht. Dennoch ist es für mich fast unmöglich, auf eine gewisse Ablehnung gegenüber schlecht Argumentierenden zu verzichten, auch wenn ich eigentlich sehr gerne derselben Meinung sein würde.
Zwei Beispiele:
Richard Dawkins (es tut mir leid, wieder was von ihm zu erzählen, aber ich habe gerade eins seiner Bücher gelesen - also liegt es auf der Hand) vertritt den Standpunkt, dass die Religion schlecht ist, weil wir keine vernünftigen (im Sinne von Vernunft) Belege für irgendeine Existenz außerphysikalischer Wesen haben und dass die Religion außerdem gewaltige Schaden in der realen Welt anrichtet. Eigentlich finde ich vieles, was er sagt, gar nicht so verkehrt und zum großen Teil vertritt er auch seine Meinung ganz gut. Dennoch nervt mich, wenn er den Zeitgeist bespricht und sagt, dass zum Beispiel der allgemeinen Einstellung gegenüber einem universellen (für Frauen und für Männer) Wahlrecht sich schlagartig geändert hat. Das sagt er in irgendeinem Zusammenhang, aber anderswo behauptet er, man hätte überhaupt keine Anhaltspunkte, wenn man gucken will, welche Teile der Bibel man für gut und welche man für schlecht findet. Es wäre wenigstens erwähnenswert, dass man vielleicht versuchen könnte (und dass viele Bibel-Experten bestimmt so versuchen), das was mit dem damaligen Zeitgeist in enger Verbindung steht (zum Beispiel dass Frauen mehr oder weniger ihren Männern gehörten) nicht sofort nach heutigen Maßstäben für verrückt erklären (und damit das ganze Buch für verrückt) sondern zu denken, was man vielleicht heute, mit dem heutigen Zeitgeist, im ähnlichen Fall sagen würde. Er spricht das gar nicht an und das nervt mich und macht mich fast zu seinem Gegner, auch wenn ich eigentlich sonst fast dazu tendiere, ein Fan von ihm zu sein.
Ist schade.
Das zweite Beispiel kommt nicht von einem weltberühmten Autor, sondern von einem meiner Facebook-Freunde. Er (der eigentlich weiblich ist, aber aus Gründen der Anonym-Haltung bleibt ich beim männlichen Pronomen) hat den Umgang der Sicherheitskräfte in Belarus kritisiert, die, wie es aussieht, im Auftrag der Regierung (bzw. des Präsidenten) sieben der neuen Präsidentschaftskandidaten verhafteten und mindestens einer davon landete auch im Krankenhaus. So etwas zu kritisieren ist nicht schwer. Aber dann nennt er das Ganze ein "Pogrom", was eine dermaßen übertriebene und krasse Verwendung ist, dass ich dann diesen Freund doof finde und mich zwangsläufig auf der Seite des bösen belarussischen Präsidenten finde. Wo ich gar nicht sein will.
Ist schade.
Bis morgen.
Door 20.
It is sometimes annoying that every opinion cannot stand for itself, but has to stand in immediate connection with the way it is communicated. What I mean is, it's difficult to view a point of view completely objectively because you get to hear it argued in a good or bad way. This shouldn't be a problem. Because everyone knows that it is in no way proper conduct in an argument to criticise the grammar of one's opponent. On the contrary - this points above all to your own inability to criticise the argument of your opponent and so puts you yourself in a bad light. Nevertheless, it is almost impossible for me to avoid a certain rejection of poor arguers, even if I would actually really quite like to share their opinion.
Two examples:
Richard Dawkins (I'm sorry that I'm going on about him again, but I've just read on eof his books so it's easy to hand) defends the point of view that religion is bad because we don't have any reasonable (in the sense of reason) pieces of evidence for any kind of existence of beings beyond the physical realm and that on top of that religion causes quite catastrophic damage in the real world. Really I find a lot of what he says not all that bad and he largely defends his standpoint quite well. But he still manages to irritate me when talking about the zeitgeist, saying for example that the general attitude towards the universal (for women and men) right to vote has changed dramatically. He says this in some context or other, but somewhere else he claims that one doesn't have any way of determining which bits of the bible one thinks are good and which one thinks are bad. It would at least be worth mentioning, that you can maybe try (and that many bible experts do indeed try) not to write off that which stands in close connection with the zeitgeist of the time (like women being more or less their husbands' property) as crazy according to modern standards (and so to write off the whole book as crazy) but to think about what one might say today, with today's zeitgeist, in a similar situation. He doesn't even address that and that irritates me and almost turns me into an enemy of his, even though I'd otherwise actually almost tend towards being a fan of his.
It's a shame.
The second example doesn't come from a world-famous author, but from one of my Facebook friends. He (who is actually female, but for reasons of keeping him anonymous I'll stick to a male pronoun) criticised the behaviour of the security forces in Belarus, who, as it seems, at the command of the government (or the president) arrested seven of the nine presidential candidates and at least one of them ended up in hospital. It's not hard to criticise something like that. But then he calls the whole thing a "pogrom", which is such an absurd and exaggerated usage, that I then think this friend is being silly and I then find myself by default on the side of the bad Belarusian president, which isn't where I want to be.
It's a shame.
See you tomorrow.
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